Corona hat New Work einen neuen Anstrich gegeben: Mitarbeitende sind im Home Office selbständiger und selbstbewusster geworden, aber auch einsamer. Führungskräfte dagegen haben vor allem den Betriebsablauf im Blick gehabt, jetzt rückt die Zukunftsplanung wieder in den Fokus. Wie Ambidextrie, der Wechsel zwischen verschiedenen Arbeitsmodi, dabei helfen kann, den Spagat im neuen Arbeitsalltag zu bewältigen, erläutert Christiane Brandes-Visbeck, Unternehmensberaterin und Expertin für Digital Leadership.
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Frau Brandes-Visbeck, wie hat die Remote-Arbeit New Work verändert? Wir haben jetzt Technologien, um effektiv Konferenzen über Videotelefonie abzuhalten. Dadurch können wir uns schneller austauschen und auch schneller Entscheidungen treffen. Doch durch diese konzentrierte und streng durchgetaktete Arbeitsweise ist kaum noch Platz für menschliche Bedürfnisse. Wir sind nur noch in Video-Calls. Für Entspannung, Witze oder Ablenkung ist kaum noch Zeit. Auch Grundbedürfnisse wie eine Kaffee- oder Toilettenpause kommen zu kurz. Das stresst sehr. Wir müssen uns jetzt wieder Freiräume schaffen und einfach fünf bis zehn Minuten Pause zwischen den Meetings einplanen und die Kolleg:innen wieder fragen, wie es ihr oder ihm geht. Menschen sind Menschen und brauchen Möglichkeiten, um miteinander ins Gespräch zu kommen. Wir brauchen das Zufällige, um kreativ und innovativ zu sein.
Welcher Führungsstil ist jetzt notwendig? Führungskräfte müssen situativ handeln je nach Aufgabe. Deshalb finde ich das Thema Ambidextrie interessant – der Wechsel zwischen verschiedenen Modi. Wenn ich Bestehendes bewahren will und die Produktion weiterlaufen muss, ist es ratsam im Manager-Modus zu bleiben. Möchte ich neue Produkte oder Prozesse einführen, ist der Leadership-Modus eine effektive Möglichkeit Rollen, Aufgaben und Verantwortung an Mitarbeitende in der Organisation zu verteilen. Zwischen verschiedenen Zuständen zu wechseln, ist für mich auch die Grundvoraussetzung für New Work.
Und wenn Mitarbeitende dabei Fehlentscheidungen fällen und Produkte floppen? Fehler passieren, wenn Situationen falsch eingeschätzt werden oder nicht vorhersehbar sind. Wir sehen es an den Corona-Maßnahmen: Es gibt bzw. gab kein richtig oder falsch, sondern Handlungsdruck für schnelle Orientierung. Die Kanzlerin Angela Merkel hat beispielsweise vor Kurzem in die Regelungen der Länder eingegriffen und ihre Macht genutzt, um die sogenannte „Notbremse“ für Ausgangsperren einzuführen. Wichtig ist also, im entscheidenden Moment zu führen und hinter eigenen Entscheidungen und denen des Teams zu stehen.
Wenn das Leben ein Wunschkonzert wäre, wie sieht dann die Arbeitswelt von morgen für Dich aus? Menschen wissen, was sie gut können, was sie machen möchten, was die Welt braucht und bezahlt. Sie finden mit diesem Selbstverständnis ein Angebot, das zum eigenen Wertesystem passt und überlegen dann in Teams, wie Aufgaben und Rollen abgestimmt auf Kompetenzen gerecht verteilt werden, um das maximal Beste zu produzieren. Ich nenne es das Tim-Melzer-Prinzip: Kühlschrank auf, ich schaue, was drin ist und dann kochen wir daraus das maximal beste Essen und freuen uns, dass es allen geschmeckt hat.
Zur Person
Christiane Brandes-Visbeck leitet die von ihr gegründete Ahoi Innovationen GmbH in Hamburg und berät Unternehmen und Organisationen zu Digital Leadership, New Work, Narrative und Diversität. Sie schreibt darüber Fachartikel, hält Vorträge und lehrt an Hochschulen. Auch ist sie im Board der Social Media Week Hamburg und dem Female Businessnetzwerk nushu. Zu Beginn ihrer Karriere hat die Kommunikationswissenschaftlerin bei der Bertelsmann AG die Digitalisierung in den Medien aktiv vorangetrieben.
Das ganze Gespräch zwischen Christiane Brandes-Visbeck und Mandy Schamber hören Sie in unserem Podcast.