Die Corona-Krise setzt neue Akzente in der Arbeit von Personalabteilungen – gerade auch mit Blick auf mögliche Entlassungen. Ein Trend, der sich dabei aktuell abzeichnet, ist der Wunsch nach einer Dehnung der Trennungsphase vom Betrieb. Axel Weber, renommierter Fachanwalt für Arbeitsrecht, erläutert die Vorteile dieser Lösung, die Herausforderungen von Home Office und warum das Urlaubsrecht the next big thing werden könnte.
Herr Weber, mit bangem Blick schaut die Wirtschaft auf die Entwicklung der Infektionszahlen: Ewig wird kein Unternehmen mit Absatzeinbußen leben können, ohne Personal zu entlassen. Warum ist das Motto „Möglichst schnell raus!“ bei Kündigungen dennoch häufig unklug?
Die Höhe der Abfindung eines Mitarbeiters dient als Maßstab für alle anderen: So viel hat der oder die bekommen, dann will ich mindestens die Summe X, ist die Reaktion der Kollegen. Tendenziell treibt dies die Beträge in die Höhe. Daher ist es eleganter, ein Paket zu schnüren, das trotz möglicherweise identischer finanzieller Belastung ein deutlich schwächeres Signal sendet. Also beispielsweise einige Monate mehr Beschäftigung anbieten und dafür auf einer niedrigeren Abfindung bestehen.
Wieso sollte ein Arbeitnehmer diese Offerte annehmen?
Wenn die Konjunktur gut liefe und ein Anschlussjob schnell zu finden wäre, hätte ein Mitarbeiter keinen klaren Vorteil davon. Aber die Zeiten sind ja andere: Der nächste attraktive Arbeitsplatz ist für viele nicht so schnell in Sicht. Deshalb ist jeder zusätzliche Monat in Lohn und Brot vorteilhaft, weil er mehr Gelegenheit zur Suche lässt.
Doch auch wer seinen Arbeitsplatz behält, muss sich auf Änderungen einstellen: Noch vor kurzem wurde über das Recht auf Home Office debattiert, nun würde manche Geschäftsführung gern über eine Pflicht zur Heimarbeit sprechen. Was muss die Personalabteilung in dieser Lage bedenken?
Grundsätzlich hat der Arbeitgeber ja durchaus das Direktionsrecht, er kann also Art, Ort und Zeit bestimmen, an der die Arbeitsleistung zu verrichten ist. Dafür ist aber vorab zu klären, ob ein Mitarbeiter überhaupt in der Lage ist, von zuhause aus zu arbeiten: Wenn drei Kinder durch die Wohnküche toben, ist dies objektiv unmöglich, und das lässt sich stets am besten im Gespräch erörtern. Für den Teil der Belegschaft, der prinzipiell von daheim aus arbeiten kann, ist eine Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag dringend geboten.
Welche Aspekte sollten in einer Home-Office-Vereinbarung geregelt werden?
Wichtige Vorgaben wie ein arbeitsgerechtes Umfeld – vom Stuhl bis zur Beleuchtung – oder die Beteiligung an Strom- und Verbrauchskosten, gegebenenfalls auch Mietkosten, sind regelmäßig zu klärende Punkte. Ich enmpfehle darüber hinaus eine zeitliche Befristung: Wenn irgendwann die wirtschaftliche Lage dreht und eine stärkere Präsenz im Betrieb wünschenswert ist, lässt sich diese so leichter herbeiführen.
Worüber werden sich die HR-Fachleute in den Unternehmen Gedanken machen, sobald Corona tatsächlich in den Hintergrund rückt?
Ein wichtiges Thema, das zurzeit noch unterschätzt wird, ist das Urlaubsrecht. Zwar haben wir ein Bundesurlaubsgesetz (BUrlG), doch sind mittlerweile viele Regelungen des Gesetzes durch europäische Rechtsprechung überlagert worden. So konnte ein Resturlaub beispielsweise noch im ersten Quartal des Folgejahres genommen werden, dann war nach BUrlG Schluss. Damit hat der Europäische Gerichtshof aufgeräumt – jetzt muss vom Arbeitgeber explizit darauf hingewiesen werden, dass der Verfall übriggebliebener Urlaubstage am Jahresende droht. Besonders pikant: Dies gilt wohl auch für Geschäftsführer, die ebenfalls vor dem Erlöschen ihrer Ansprüche gewarnt werden müssen. Hier drohen juristische Auseinandersetzungen, wenn beispielsweise bei einer Trennung nicht genutzte Urlaubstage in monetäre Ansprüche verwandelt werden.
Ist das auch mit Blick auf die Belegschaft relevant?
Ja, beispielsweise hinsichtlich der Elternzeit: Die Mitarbeiter sind zwar nicht präsent, aber erwerben dennoch einen regulären Urlaubsanspruch, wenn nichts Gegenteiliges vereinbart wurde. In künftigen Fällen sollte der Arbeitgeber daran denken, den Anspruch auf jährlichen bezahlten Urlaub für jeden Monat in Elternzeit um 1/12 zu kürzen. Im Nachhinein geht das aber nicht – dies muss im Vorwege vereinbart werden. Ein entsprechender Passus bei der Bewilligung der Elternzeit ist daher der optimale Weg.